„Frieden und Freiheit sind nicht selbstverständlich. Man muss sie verteidigen.“
Elena Shtrum wurde am 23. Mai 1923 in Kiew geboren. Ihre Mutter war Ärztin, ihr Vater theoretischer Physiker.
Es war die Nacht vom 23. auf den 24. März 1936, die Elenas Leben tiefgreifend veränderte. Sie lag gerade im Bett, als das Furchtbare passierte: Ihr Vater wurde verhaftet.
Später erfuhr sie, dass es eine Anweisung aus Moskau gegeben hatte, nach der zwölf Mitglieder der Ukrainischen Akademie für Wissenschaften festgenommen werden sollten. Ihr Vater war einer von ihnen.
Die letzte Begegnung zwischen Elena und ihm fand im Gefängnis statt.
Erst viel später erfuhr sie, dass er am 22. Oktober 1936 vom sowjetischen Geheimdienst NKWD als angeblicher Verräter und Konterrevolutionär zusammen mit weiteren 36 Verhafteten in der Nähe von Kiew erschossen worden war.
Von nun an galt die Familie Shtrum als „Volksfeind“. Im darauffolgenden Jahr verbannte der NKWD Elenas Mutter in die kleine Stadt Schenkursk. Dort bekam sie eine Stelle als Kinderärztin.
Aber Angst breitete sich allmählich aus: Es ging das Gerücht um, dass jenen Frauen, die während des Großen Terrors aus den Großstädten verbannt wurden, die Kinder weggenommen und in Heime gegeben werden sollten. Die Mutter entschied sich daraufhin, Elena nach Moskau zu schicken.
Dort angekommen blieb sie bei ihrer Tante und ihrer Großmutter. Schließlich aber fanden die Nachbarn heraus, dass sie die Tochter eines „Volksfeindes“ war, woraufhin ihre Anmeldung bei der Tante nicht verlängert wurde.
Elena ging nach Kiew, dort wohnte ihre andere Großmutter. Aber nur einen Monat nach ihrer Ankunft verstarb diese. Von nun an war die gerade einmal 15-jährige Elena auf sich allein gestellt. Aber auch „in schlechten Zeiten gibt es gute Menschen“, sagt sie und an diesem Satz hält sie fest.
Im Juni 1941, mit 18 Jahren, schloss Elena ihr Abitur ab. Drei Tage später brach der Krieg aus. Im Juli flüchtete sie gemeinsam mit zwei ihrer Tanten und ihrer kleinen Cousine vor den Deutschen aus Kiew. Sie erwischten einen Güterzug und fuhren bis nach Kasan. Dort angekommen fand Elenas Tante, eine Mathematiklehrerin, schnell eine Wohnung und Arbeit. Elena blieb bei ihr und nahm ein Studium auf.
Vormittags arbeitete sie als Sanitätshelferin in einem Militärkrankenhaus, nachmittags besuchte sie die Vorlesungen. Ihre Chefin unterstützte sie sehr. Elena sieht auch in ihr einen guten Menschen in schlechte Zeiten.
Im Zuge einer Offensive der Roten Armee gegen die Wehrmacht wurde der Krankenhausbetrieb an die Front verlegt und Elena wurde dort eingesetzt. 1944 kam sie zurück nach Kiew, das bereits am 6. November 1943 befreit worden war.
An das Kriegsende am 9. Mai 1945 erinnert sich Elena noch gut: Die Menschen feierten in den Straßen.